17.02.2025
Unsere Faustballfrauen holen nach einem doppelten Comeback das Maximum aus der Bundesliga-Saison: Platz 2 bei der deutschen Meisterschaft!
Foto: Bernhard Kaiser
Das war eine faustdicke Überraschung am Sonntagnachmittag: Nicht, dass der TSV Dennach – als World Tour Finals- und EFA Champions Cup-Sieger sowie Süd-Meister beim Heimturnier in Neuenbürg klar favorisiert – bei der Siegerehrung der deutschen Meisterschaft auf dem oberen Podest stand. Die Überraschung war aufgrund der Vorgeschichte vielmehr, dass der Süd-Dritte TSV Calw Silber gewann und sich von seinen Fans unter den 400 Zuschauern verdient hochleben lassen durfte. Die Nordvereine gingen leer aus, da der TV Segnitz als Dritter den Süd-Triumph komplettierte. Bitter für Titelverteidiger TV Jahn Schneverdingen, den erfolgverwöhnten Ahlhorner SV und Hallen-DM-Neuling MTV Wangersen.
Rückblick: Die Löwinnen, deren Schlagfrau Henriette Schell bis zuletzt an einer Patellasehnenverletzung laborierte und Kapitänin Leonie Pfrommer mit Kreuzbandriss seit Dezember komplett ausfiel, hatten sich erst zwei Wochen zuvor mit einem Kraftakt zu diesem Turnier gerettet. Im letzten Spiel der regulären Bundesligarunde wehrten sie beim direkten Konkurrenten um Platz 3 der Südstaffel, dem TSV Pfungstadt, einen Matchball zur 0:3-Niederlage ab, drehten das Spiel und schnappten den Hessinnen das begehrte Ticket noch weg. Nach diesem Comeback folgte in Neuenbürg in den Gruppenspielen das zweite: Nach dem deutlichen 0:3 zum Auftakt gegen Dennach lagen die TSV-Frauen gegen Ahlhorn 0:2 zurück und wohl kaum jemand hätte noch einen Pfifferling auf die Löwinnen gewettet. Außer das Team selbst und die Betreuer Raphael Schlattinger und Johannes Jungclaussen.
Aber der Reihe nach. Am Samstag hatte das Turnier der jeweils drei Top-Teams der Bundesligastaffeln Nord und Süd mit den Gruppenspielen begonnen.
TSV Dennach – TSV Calw 3:0 (11:5, 11:4, 11:8)
Der Nordschwarzwald-Klassiker zur Eröffnung war nach 40 Minuten schon vorbei. Zahlreiche Kurzbälle und starke Angaben von Pia Neuefeind zogen unserem Calwer Team den Stecker. „Wir haben zweimal den Start verschlafen. Aber selbst in Bestform wäre es heute gegen diese Dennacherinnen schwer gewesen, etwas zu reißen“, gab Abwehrspielerin Ida Hollmann unumwunden zu.
Nachdem in Gruppe B Schneverdingen den DM-Neuling aus Wangersen in die Schranken gewiesen hatte, ging es für den TSV Calw um alles. Ein Sieg gegen Angstgegner Ahlhorner SV, den sie in 15 Jahren zuvor nur einmal geschlagen hatten, musste her.
Ahlhorner SV – TSV Calw 2:3 (11:8, 11:8, 4:11, 9:11, 4:11)
Totgesagte leben länger. Nach der 2:0-Führung für Ahlhorn sah der TSV schon aus wie der klare Verlierer dieser DM. Aber sie waren sichtlich besser im Turnier als in dem Auftaktspiel. Der erste Satz ging allerdings durch drei unglückliche Bälle verloren (umstrittene Aus-Entscheidung, Übertritt) und im zweiten Durchgang brachte Calw eine 6:4-Führung nicht durch. Doch die von Raphael Schlattinger und Johannes Jungclaussen betreute Mannschaft stemmte sich vehement gegen das drohende Aus.
„Wir hatten nach dem 0:3 gegen Dennach und 0:2 gegen Ahlhorn nichts mehr zu verlieren. Sekt oder Selters, gewinnen oder verkacken. Wir sind volles Risiko gegangen und haben uns in Rage gespielt. Das hat richtig Bock gemacht“, berichtete die starke Angabenschlägerin Fenja Stallecker später die Gefühlslage, als ihr Team am Abgrund stand. Die Calwerinnen jedenfalls kamen richtig auf Touren und setzten sich, nachdem auch der rassige vierte Satz an die Schwäbinnen ging, sicher durch. Statt die Sporttaschen zusammenzupacken, wahrten die Löwinnen ihren Halbfinaltraum und freuten sich später über die notwendige Schützenhilfe Dennachs, das Ahlhorn mit 3:0 aus dem Turnier kegelte.
Frauen-Bundestrainerin Silke Eber: „Das Comeback der Calwerinnen hat mich überrascht. Die Angreiferinnen sind im Lauf des Spiels stärker geworden, auch wenn man Henriette noch die fehlende Routine anmerkt.“
Unterdessen hatte sich in Gruppe B der TV Segnitz mit starken Vorstellungen gegen Wangersen und Schneverdingen durchgesetzt und galt für manchen Beobachter als ernsthafter Titelanwärter.
Die Finalspiele
Am Sonntagvormittag ging es in die Halbfinals. Dennach blieb in einem spektakulären und über weite Strecken hochklassigen Duell gegen Schneverdingen obenauf und feierte den Endspieleinzug. Dann stand dass zweite Semifinale auf dem Programm.
TV Segnitz – TSV Calw 1:3 (6:11, 9:11, 11:5, 5:11)
Im Vorjahr, in der Calwer Walter-Lindner-Sporthalle, standen sich beide Teams im DM-Spiel um Platz 3 gegenüber – damals drehten die Löwinnen ein 0:2 noch zum Bronzegewinn. Diesmal übernahmen sie auf Anhieb die Initiative. Die Abwehr war mit einer starken Laura Flörchinger und der wieselflinken Ida Hollmann bei Kurzbällen gut eingestellt. Fenja Stallecker und Henriette Schell brachten die Segnitzer Defensive immer wieder in Bedrängnis, sodass deren überragende Angreiferin Svenja Schröder kaum zum Zug kam. Die Szene des Turniers erlebte das Publikum in Satz 2 bei 9:5-Führung für Calw: Schröder wurde es zu bunt, sie ging – wie in bester Männer-Manier – an der Leine in den Block gegen ihre Nationalmannschaftskameradin Henriette Schell. Zunächst mit Erfolg. Dies probierte sie fortan weiter. Die kurzzeitig geschockten Calwerinnen fingen sich aber bei 9:9-Ausgleich wieder und retteten sich zum zweiten Satzgewinn. Segnitz kam nur noch zum 2:1 heran, weil die Calwerinnen nicht mehr auf die Leine zuspielten, sondern mit einem halben Meter Abstand, sodass sich Fenja Stallecker und Henriette Schell weiter austoben konnten. Neun Ballgewinne in Serie gingen im vierten Satz an Calw, den zweiten Matchball verwandelte Schell.
Mit Wut im Bauch schickten anschließend die Segnitzerinnen den TV Jahn Schneverdingen mit einer 3:0-Packung nach Hause und sicherten sich Bronze.
TSV Calw – TSV Dennach 1:3 (6:11, 11:8, 4:11, 9:11)
Im Endspiel behielt Favorit Dennach mit einer starken Abwehr, sauberen Zuspielen von Anna-Lisa Aldinger und variablem Angriff die Oberhand gegen aufmüpfige Calwerinnen. Bis zum 5:5 war der erste Satz offen, dann setzte sich Dennach mit klaren Aktionen ab. Durchgang 2 war Unterhaltung pur, ein Spiel auf Augenhöhe. Im Angriff duellierten sich Stallecker/Schell mit Neuefeind/Pfrommer. Dennach ging 8:7 in Führung – das war aber auch der letzte Ballgewinn in diesem Satz, denn Calw konterte aufopferungsvoll. Samantha Lubik rettete per Hechtsprung auf die Tribüne, Schell stellte zum 1:1-Ausgleich.
Dann gingen die Kräfte der Calwerinnen um die erkältet angeschlagene Zuspielerin Ida Hollmann langsam aus. Pia Neuefeind nutzte jede Chance konsequent, auf der anderen Seite arbeitete sich Schell an der gegnerischen Abwehr ab. Mit einem typischen Spielzug – gute Abwehr von Denise Zeiher, perfektes Aldinger-Zuspiel und krachender Pfrommer-Schlag – ging das Heimteam 2:1 in Führung. Auf Calwer Seite wurde Laura Nonnenmann für Fenja Stallecker eingewechselt, Laura Flörchinger nach vorn eingerückt, um Kurzbälle abzugreifen. Noch einmal bäumte sich Calw auf, kam von 0:6 bis auf 7:9 heran, wehrte zwei Matchbälle ab. Dann versenkte Neuefeind und ihr Team fand sich in einer pinkfarbenen Jubeltraube wieder.
Unsere Löwinnen waren nicht lange traurig – wohl wissend, dass sie ein großartiges Turnier abgeliefert und die Fans glücklich gemacht haben. Besonders geherzt wurde Laura Flörchinger – nicht nur wegen ihrer starken Leistung am ganzen Wochenende. Sie legt zumindest eine Pause ein. „Nach 20 Jahren im TSV und 10 Jahren Bundesliga“, wie die erst 25-Jährige später erzählte. „Das Turnier war unfassbar schön. Wir sind am Samstag wieder etwas spät aufgewacht, aber das war vielleicht gut so. Unseren Halbfinalgegner TV Segnitz kennen wir gut und wir konnten unsere Vorteile ausspielen. Im Endspiel war dann nichts mehr rauszuholen, Dennach war besser und wir gönnen ihnen den Erfolg vor dem eigenen Publikum.“
Deutscher Vizemeister 2025 in der Halle, TSV Calw:
Henriette Schell, Laura Flörchinger, Ida Hollmann, Fenja Stallecker, Samantha Lubik, Laura Nonnenmann, Elisa Becht, Julia Maier, Leonie Pfrommer; Trainer: Johannes Jungclaussen, Raphael Schlattinger.
Ergebnisse, Vorrunde
TSV Dennach – TSV Calw 3:0 (11:5, 11:4, 11:8); TV Jahn Schneverdingen – MTV Wangersen 3:0 (11:8, 11:8, 11:4); Ahlhorner SV – TSV Calw 2:3 (11:8, 11:8, 4:11, 9:11, 4:11); TV Segnitz – MTV Wangersen 3:0 (13:11, 14:12, 11:2); TSV Dennach – Ahlhorner SV 3:0 (14:12, 11:9, 11:7); TV Jahn Schneverdingen – TV Segnitz 0:3 (8:11, 10:12, 6:11)
Halbfinals: TSV Dennach – TV Jahn Schneverdingen 3:2 (10:12, 14:12, 8:11, 11:7, 11:5); TV Segnitz – TSV Calw 1:3 (6:11, 9:11, 11:5, 5:11)
Um Platz 3: TV Segnitz – TV Jahn Schneverdingen 3:0 (11:9, 11:7, 11:9)
Endspiel: TSV Calw – TSV Dennach 1:3 (6:11, 11:8, 4:11, 9:11)
Platzierungen:
1. TSV Dennach
2. TSV Calw
3. TV Segnitz
4. TV Jahn Schneverdingen
5. Ahlhorner SV und MTV Wangersen