Europapokaaaaal!

08.07.2019

Um 22.30 Uhr am Sonntagabend trafen die Fahrzeuge mit dem vor Freude tobenden Team auf dem Faustballgelände am Aischbach ein – und es sollte noch lange gefeiert werden… Ein Prost auf den größten Vereinstriumph! "Europapokaal", tönte es immer wieder durch das Vereinsheim.

Trainer Thomas Stoll war sichtlich zufrieden: „Jürgen Klopp würde über meine Männer wohl von Mentalitätsmonstern sprechen. Was wir geleistet und wie wir jede noch so schwierige Situation gemeistert haben, war einfach großartig. Jeder Einzelne hat sein sportliches und mentales Vermögen voll abgerufen. Hervorzuheben ist Raphael Schlattinger, der das ganze Wochenende – egal, ob bei Starkregen, Sonne oder Sturm – auf extrem hohem Level gespielt hat. Dennis Gruber bringt uns und vor allem die jüngeren Kameraden mit seiner Erfahrung und seiner Coolness auf diesem hohen Niveau enorm weiter. Ich bin stolz auf diese Mannschaft.“
 
Und Raphael Schlattinger blickte ebenfalls noch einmal gerne auf das zurück, was er wenige Stunden zuvor erlebte: „Dieses Turnier war für mich als Schweizer etwas Besonderes. Unser Vorteil war sicher, dass wir als Europacup-Neuling keinen Erfolgsdruck hatten. Gegen Diepoldsau haben wir unser bestes Spiel dieser Saison gezeigt. Aber das Finale war der Wahnsinn. Widnau führte mit 2:0 Sätzen, da ist es normal und menschlich, dass man im Kopf zurückschaltet. Wir haben die Gelegenheit genutzt, es hätte aber genauso gut zugunsten unseres Gegners ausgehen können. Am Ende des letzten Satzes war es, als würde jemand einen Kübel Wasser über dir ausschütten, ich habe vor Regen nichts mehr gesehen und nur noch voll draufgehalten. Ich danke allen meinen Mitspielern für dieses großartige Turniererlebnis.“
 

Der Bericht:

Ein Europapokal-Traum: Premiere vergoldet

 

Größter Erfolg für die Faustballer des TSV Calw gleich beim ersten internationalen Auftritt

Faustdicke Faustball-Überraschung: Der TSV Calw hat bei seiner internationalen Premiere in Kleindöttingen/Schweiz auf Anhieb den European’s Cup gewonnen – als erster deutscher Verein seit dem TK Hannover, 2007 in Dänemark.

Die Sommerhitze hatte sich aus dem Aargau verzogen. Bei angenehmen Temperaturen konnten die Männer des TSV Calw ihren ersten ganz großen Auftritt angehen – und am Ende in vollen Zügen genießen. Als Dritter der deutschen Meisterschaft 2018 hatten sich die „Löwen“ erstmalig für den EFA European’s Cup qualifiziert, das Pendant zum UEFA-Pokal im Fußball. Zehn Mannschaften aus vier Ländern waren in Kleindöttingen dabei, darunter mit dem TV SW-Oberndorf ein weiterer Bundesliga-Spitzenklub, je vier erfahrene Teams aus Österreich und der Schweiz sowie der SSV Bozen. Von Nervosität auf der großen Bühne war bei den Calwern aber wenig zu spüren.

TSV Jona – TSV Calw 0:2 (5:11, 6:11)
Der TSV Jona entpuppte sich als optimaler Auftaktgegner: Raphael Schlattinger, Dennis Gruber (Angriff), Philipp Kübler (Zuspiel), Mathias Zierer und Nick Stoll (Abwehr) gingen ganz cool in die Begegnung und hatten die Männer vom Zürichsee immer im Griff. Nach klarer Führung in den ersten Minuten konnte Trainer Thomas Stoll sogar den Paradeangriff auswechseln, um auch Lukas Gruner und Nico Stoll die Turnierluft schnuppern zu lassen. Beide dankten es und trugen zum klaren ersten Satzgewinn gegen den Schweizer Traditionsclub bei. Mit der Startaufstellung ging es auch in den zweiten Durchgang und schnell war ein sicherer Sieg eingefahren.

Union Freistadt – TSV Calw 0:2 (12:14, 7:11)
Nun wartete ein anderes Kaliber auf die „Löwen“. Union Freistadt, Österreichs Vizemeister mit Nationalangreifer Jean Andrioli und Weltklasse-Zuspieler Klaus Thaller, forderte die Hessestädter, die nun in der Abwehr auf Gruner (für Zierer) setzten. Aus einem intensiven Schlagabtausch entwickelte sich ein sehenswertes Spitzenspiel. Die Calwer behielten in der hitzigen Begegnung die Nerven in der Endphase des ersten Satzes und hatten auch anschließend Oberwasser. Mit diesem Sieg war das erklärte Ziel „Qualifikationsrunde erreichen“ schon ganz nah.

SVD Diepoldsau-Schmitter – TSV Calw 0:2 (3:11, 6:11)
Erneut stand ein eidgenössisches Schwergewicht gegenüber: Der SVD, Vorjahresfinalist und mit vier Schweizer Nationalspielern gespickt, war lange Zeit die sportliche Heimat des Calwer Stars Raphael Schlattinger. Nun durfte sich der Linkshänder auf höchster Ebene mit den Lässer-Brüdern Lukas und Christian sowie weiteren Ex-Kameraden messen. Zunächst aber frischte der Wind stark auf, kurz darauf tobte ein Gewitter und erst nach einer Stunde Unterbrechung ging es richtig los. Die Calwer kamen mit breiter Brust aus der unverhofften Pause und machten im Schaulaufen der Swiss-Elitespieler überraschend kurzen Prozess, weil einfach alles passte. Die Abwehr und ein starker Nick Stoll hielt dagegen, das Zuspiel von Philipp Kübler, der auch aus der Mitte schlug, kam zentimetergenau. Dennis Gruber stürzte sich in die Kurzbälle, "Dozi" Schlattinger tobte sich im Angriff nach Herzenslust aus. So war nicht nur das Weiterkommen vorzeitig erreicht, sondern sogar der Gruppensieg und das Halbfinale.

UFG Grieskirchen – TSV Calw 2:0 (11:6, 11:3)
Da keine Wettbewerbsverzerrung möglich war (Grieskirchen hatte keine Chance auf die Qualifikationsrunde), durften sich nun auch die TSV-Perspektivtalente präsentieren. In ungewohnter Aufstellung, mit Leandro Schmidberger, Nils Hantke, Mathias Zierer (Abwehr), Nico Stoll und Dennis Gruber, war gegen die Österreicher nichts zu holen, zumal der Erfolgsdruck aus dem Kessel war. Dennoch: "Auch dieses Spiel musste gespielt werden und ich bin froh, dass wir genug starke Spieler dabei hatten", resümierte Raphael Schlattinger, der sich für den anstrengenden Folgetag schonen konnte.

Halbfinale TSV Calw – Union Freistadt 3:1 (11:9, 14:15, 11:6, 15:13)
Am Sonntag konnten die „Löwen“ entspannt zusehen, wie sich der FBD Linz-Urfahr und Union Freistadt über fünf Sätze beharkten (Entscheidungsspiele auf drei Gewinnsätze). Die Freistädter aus dem oberösterreichischen Mühlviertel besiegten die Linzer und durften nun also erneut den TSV fordern. Thomas Stoll setzte auf die am Vortag erfolgreiche Fünf mit Abwehrmann Lukas Gruner neben den stark aufgeigenden Nick Stoll und Philipp Kübler. Wie im Gruppenspiel, entwickelte sich erneut ein intensiver Vergleich. Und erneut haben die Deutschen mit dem erfahrenen Zweitangreifer Dennis Gruber und dem überragenden Schlattinger den entscheidenden Punkt im ersten Satz gemacht. Noch enger wurde der zweite Durchgang. Der TSV hatte die Chance auf die Vorentscheidung, doch diesmal war – nach voller Distanz – Union Freistadt obenauf. Die „Löwen“ aber ließen sich nicht beirren, blieben abgeklärt und fuhren die zwei fehlenden Satzgewinne ein, der Traum vom Endspiel war erfüllt.

Finale Faustball Widnau – TSV Calw 2:3 (11:8, 14:12, 7:11, 8:11, 13:15)
Welch ein Gegner, was für ein Endspiel vor mehreren Hundert Zuschauern: Angeführt von den Schweizer Nationalspielern Mario Kohler und Yanick Lindner betrat der European’s Cup Sieger 2018, Titelverteidiger Faustball Widnau, den Rasen. Auf der anderen Seite Schlattinger, Ex-Nationalspieler Dennis Gruber, Philipp Kübler, Lukas Gruner und Nick Stoll. Die Ostschweizer waren mit vier Siegen ins Halbfinale marschiert, besiegten dort den TV SW-Oberndorf mit 3:1 und zeigten, warum sie in diesem Endspiel Favorit waren. Die Eidgenossen legten sich die Calwer zurecht und gewannen Durchgang 1 klar. Dann fightete sich der aktuelle Bundesliga-Dritte heran, musste sich aber in der Verlängerung geschlagen geben – eine bittere Vorentscheidung. Zierer kam für Gruner, Calw probierte über Kübler seine Angreifer in Szene zu setzen – mit Erfolg! Zwei klare Satzgewinne zum Ausgleich sorgten für finalreife Spannung. Calw lag beim Seitenwechsel des letzten Durchgangs mit 5:6 Bällen zurück und musste auch in der Folge immer wieder einen Punkt-Rückstand ausgleichen. Bei 8:9 setzte Regen ein, bei 9:10 hatte Widnau den ersten Matchball. Der TSV glich erneut aus, ging selbst in Führung, dann lag der Vorteil wieder bei Widnau – drei Mal in Serie. Calw wehrte auch den vierten Matchball ab, ging 14:13 in Führung und genau jetzt pfiff der Schiedsrichter einen Übertritt des gegnerischen Angreifers ab – dann war dieses unvergessliche Finale vorbei!

Die Europapokal-Frischlinge aus dem Schwarzwald feierten ihren unerwarteten Erfolg nur kurz. Nach dem Kraftakt war die Mannschaft praktisch stehend k.o., außerdem steht das nächste wichtige Spiel unmittelbar bevor: Schon am Donnerstag um 19 Uhr beginnt in Mannheim das vorletzte Bundesliga-Match gegen den TV 1880 Käfertal. Mit einem Sieg könnte der TSV Calw erneut die deutsche Meisterschaftsendrunde Ende August in Kellinghusen buchen – und dort vielleicht wieder die Qualifikation für den Europapokal 2020 schaffen.

Sieger European's Cup: TSV Calw, 2. Faustball Widnau (SUI), 3. TV Schweinfurt-Oberndorf, 4. Union Freistadt (AUT), 5. SVD Diepoldsau-Schmitter (SUI), 6. FBC Linz-Urfahr (AUT), 7. FG Elgg-Ettenhausen (SUI), 8. SSV Bozen (ITA), 9. UFG Grieskirchen (AUT), 10. TSV Jona (SUI).